Mittwoch, 7. Februar 2018

Behördliche Leseverständnisprobleme

Wie die meisten Gesetze, ist auch das österreichische Denkmalschutzgesetz (DMSG) einigermaßen unverständlich geschrieben. Beim DMSG beginnen die Probleme mit der Allgemeinverständlichkeit schon bei der Frage, auf welche Dinge und Handlungen die Bestimmungen dieses Gesetzes überhaupt angewendet werden können bzw. müssen. Das liegt daran, dass die beiden zentralen Begriffe des DMSG – der in § 1 Abs. 1 definierte Begriff Denkmal und der in § 8 Abs. 1 definierte Begriff Bodendenkmal – in einer Weise bestimmt sind, dass selbst die für die Exekution dieses Gesetzes zuständige Bundesbehörde – das Bundesdenkmalamt (BDA) – Probleme bei ihrer Anwendung hat.

In diesem Beitrag soll daher kurz und hoffentlich allgemeinverständlich erklärt werden, was diese beiden Begriffe bedeuten. Gleichzeitig soll gezeigt werden, dass das BDA entweder erhebliche Leseverständnisprobleme hat; oder aber die Unverständlichkeit der gesetzlichen Bestimmungen gezielt dazu nutzt, im Bereich des Denkmalschutzes seinen eigenen Willen (statt den des Gesetzgebers) durchzusetzen.

Betrachten wir dazu zuerst die Fragen, wann ein sogenanntes Denkmal ein Denkmal und wann ein sogenanntes Bodendenkmal ein Bodendenkmal ist. Die Schriftfarbgebung dient in diesem Beitrag zur Unterscheidung, wann von einem Ding die Rede ist, das Denkmal bzw. Bodendenkmal genannt wird, und wann von einem Denkmal bzw. Bodendenkmal die Rede ist, auf das die Bestimmungen des DMSG angewendet werden können, um die Verständlichkeit des DMSG zu verbessern.


Wann ist ein Denkmal ein Denkmal?


Denkmale genannt werden laut § 1 Abs. 1 DMSG „von Menschen geschaffene unbewegliche und bewegliche Gegenstände (einschließlich Überresten und Spuren gestaltender menschlicher Bearbeitung sowie künstlich errichteter oder gestalteter Bodenformationen) von geschichtlicher, künstlerischer oder sonstiger kultureller Bedeutung“. „Die in diesem Bundesgesetz enthaltenen Bestimmungen“ finden jedoch auf solche Denkmale nur dann „Anwendung, wenn ihre Erhaltung dieser Bedeutung wegen im öffentlichen Interesse gelegen ist“. Mit „Erhaltung“ ist die „Bewahrung“ der Denkmale „vor Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland“ gemeint.

Die Erhaltung eines Denkmals ist laut § 1 Abs. 2 im öffentlichen Interesse gelegen, wenn es sich bei ihm „um Kulturgut handelt, dessen Verlust eine Beeinträchtigung des österreichischen Kulturgutbestandes in seiner Gesamtsicht hinsichtlich Qualität sowie ausreichender Vielzahl, Vielfalt und Verteilung bedeuten würde. Wesentlich ist auch, ob und in welchem Umfang durch die Erhaltung des Denkmals eine geschichtliche Dokumentation erreicht werden kann“. Rechtswirksam wird das öffentliche Interesse – und somit das Denkmal zum Denkmal – laut § 1 Abs. 4 „kraft gesetzlicher Vermutung (§ 2) oder durch Verordnung des Bundesdenkmalamtes (§ 2a) oder durch Bescheid des Bundesdenkmalamtes (§ 3)“.

Allgemeinverständlich ausgedrückt bedeutet das, dass in Österreich alle absichtlich von Menschen erzeugten Dinge und alle ihre Überreste vom Gesetzgeber Denkmale genannt werden. Das DMSG kann aber nur auf Denkmale angewendet werden, die „denkmalschutzrelevant“ sind. Welche das sind, entscheidet normalerweise das Bundesdenkmalamt (BDA) dadurch, dass es sie unter Denkmalschutz stellt. Erst durch seine Unterschutzstellung wird das DMSG auf dieses Denkmal anwendbar. Mit allen anderen Denkmalen hingegen darf jeder (im Rahmen der sonstigen Gesetze) machen, was er will.

Oder, noch einfacher gesagt:

Ein (Ding, das der Gesetzgeber) Denkmal (nennt) ist ein Denkmal (auf das man das DMSG anwenden kann und muss), wenn es vom BDA unter Denkmalschutz gestellt wurde.


Wann ist ein Bodendenkmal ein Bodendenkmal?


Der zweite Begriff ist noch schwieriger zu verstehen. Bodendenkmale genannt werden laut § 8 Abs. 1 DMSG „Gegenstände, die infolge ihrer Lage, Form oder Beschaffenheit offenkundig den Beschränkungen dieses Bundesgesetzes unterliegen könnten“, die sich unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche befinden. Dass nicht allgemeinverständlich ist, welche Dinge das sind, anerkennen sogar auf Denkmalschutzfragen spezialisierte Juristinnen (Pieler 2017, 111-112); gehen jedoch davon aus, dass die Frage, ob ein Gegenstand in den Bereich dieser Begriffsdefinition fällt, von jedem Durchschnittsbürger (d.h. ohne besondere Fachkenntnis) beantwortet werden können muss und daher kein hoher Beurteilungsmaßstab angesetzt werden kann. Werden Bodendenkmale – und zwar auch, wenn sie „lediglich durch Ereignisse wie Regen, Pflügen oder dergleichen zufällig teilweise oder vollständig an die Oberfläche“ gelangt sind – entdeckt, sind sie (wenn sie zufällig entdeckt wurden) laut § 8 Abs.1 bzw. (wenn sie vorsätzlich bei „Nachforschungen an Ort und Stelle zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung“ im Sinne des § 11 Abs. 1 entdeckt wurden) laut § 11 Abs. 4 dem BDA anzuzeigen.

 „(V)om Zeitpunkt des Auffindens“ bis „zum Abschluss der in Abs. 4 umschriebenen Arbeiten, längstens aber auf die Dauer von sechs Wochen ab Abgabe der Fundmeldung (§ 8 Abs. 1)“ unterliegen solche Bodendenkmale laut § 9 Abs. 3 dann „den Beschränkungen“ des DMSG, stehen also zeitweilig „einheitlich gemäß den Bestimmungen bei Unterschutzstellungen durch Bescheid (§ 3 Abs. 1)“ unter Denkmalschutz und sind somit gleichzeitig auch Bodendenkmale. Ihre zeitweilige Unterschutzstellung dient aber laut § 9 Abs. 3 nur einem Zweck: „(b)is zum Ende dieser Frist hat das Bundesdenkmalamt auch in jenen Fällen, in denen es sich um Gegenstände handelt, für die ohnehin die Bestimmungen des § 2 Abs. 1 zum Tragen kämen, zu entscheiden, ob diese Bodendenkmale weiterhin den Beschränkungen dieses Bundesgesetzes (in allen Fällen nach den Rechtsfolgen für Unterschutzstellungen durch Bescheid gemäß § 3 Abs. 1) unterliegen“. Diese Entscheidung muss durch einen schriftlichen „Bescheid“ erfolgen, gegen den auch Rechtsmittel ergriffen werden können. Der Zweck von alledem ist also, dem BDA Zeit dafür zu geben, zu entscheiden, ob das Bodendenkmal ein Denkmal ist.

Allgemeinverständlich ausgedrückt bedeutet das, dass in Österreich alle Dinge (und deren Überreste), bei denen jeder aufgrund ihrer sichtbaren Eigenschaften erkennen kann, dass sie absichtlich von Menschen geschaffen worden sein könnten, die sich im Boden oder unter der Wasseroberfläche befinden oder befunden haben, vom Gesetzgeber Bodendenkmale genannt werden. Das DMSG ist auf ein solches Ding aber nur vom Zeitpunkt seiner Entdeckung bis höchstens sechs Wochen nachdem diese dem BDA angezeigt wurde anwendbar, d.h. es ist nur während dieser Zeit ein Bodendenkmal. Während dieser Frist muss das BDA entscheiden, ob das Bodendenkmal ein Denkmal ist, oder ob es das nicht ist. Mit allen anderen Bodendenkmalen hingegen darf jeder (im Rahmen der sonstigen Gesetze) machen, was er will.

Oder, um es noch einfacher auszudrücken:

Ein (Ding, das der Gesetzgeber) Bodendenkmal (nennt) ist ein Bodendenkmal (auf das man das DMSG anwenden kann) vom Zeitpunkt seiner Entdeckung bis das BDA (spätestens sechs Wochen ab Abgabe der Fundmeldung) entschieden hat, ob es als Denkmal geschützt wird.

Zwischenresümee: wann ist nun das DMSG anzuwenden?


Für die Anwendbarkeit der Bestimmungen des DMSG im Bereich der archäologischen Denkmalpflege bedeutet das nun kurz zusammengefasst das Folgende (siehe auch Abb. 1):

Anwendbar sind die Bestimmungen des DMSG auf Bodendenkmale vom Zeitpunkt ihrer Entdeckung bis zur höchstens binnen 6 Wochen ab Abgabe der diesbezüglichen Fundmeldung zu treffenden Entscheidung des BDA über ihre Denkmalschutzwürdigkeit sowie auf rechtskräftig unter Denkmalschutz gestellte Denkmale.

Nicht anwendbar sind die Bestimmungen des DMSG hingegen auf Bodendenkmale vor ihrer Entdeckung und nach der Entscheidung des BDA über ihre Schutzwürdigkeit oder aber spätestens 6 Wochen nach Anzeige ihrer Entdeckung an das BDA, und auf Denkmale, die derzeit nicht unter Denkmalschutz stehen.

Abb. 1: Anwendbarkeit des DMSG


Das ist zugegebenermaßen etwas kompliziert, aber eigentlich nicht besonders. Um zu wissen, ob die Bestimmungen des DMSG in Bezug auf eine beliebige Sache angewendet werden können, muss man eigentlich nur wissen, ob diese 1) unter oder auf der Erd- bzw. unter der Wasseroberfläche aufgefunden wurde, aufgrund ihrer sichtbaren Eigenschaften von jedem als Gegenstand erkannt werden würde, der absichtlich von Menschen geschaffen worden sein könnte, und dem BDA erst seit weniger 6 Wochen durch Fundmeldung bekannt (d.h. ein Bodendenkmal) ist oder sie 2) bereits rechtskräftig unter Denkmalschutz steht (d.h. ein Denkmal ist). Ist die Antwort auf eine dieser beiden Fragen positiv, kann man die Bestimmungen des DMSG auf diese bestimmte Sache anwenden. Ist hingegen die Antwort auf beide Fragen negativ, kann man die Bestimmungen des DMSG auf diese bestimmte Sache nicht anwenden.


Probleme in der Anwendung des DMSG durch die Behörde


Man sollte also davon ausgehen können, dass hochqualifizierte und eigens für die Wahrnehmung von Denkmalschutzaufgaben geschulte Fachkräfte des BDA durchaus ohne größere Schwierigkeiten dazu im Stande sein sollten, diese Frage in jedem konkreten Einzelfall korrekt zu entscheiden. Tatsächlich scheint das jedoch nicht immer der Fall zu sein, wie in der Folge anhand der scheinbar höchst unsicheren Anwendung der Bestimmungen des DMSG durch die Behörde gezeigt werden soll.

§ 11 Abs. 1 DMSG bestimmt in seinem ersten Satz das Folgende: „Die Nachforschung durch Veränderung der Erdoberfläche bzw. des Grundes unter Wasser (Grabung) und sonstige Nachforschungen an Ort und Stelle zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung beweglicher und unbeweglicher Denkmale unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche dürfen nur mit Bewilligung des Bundesdenkmalamtes vorgenommen werden, soweit Abs. 2 und 9 nichts anderes vorsehen (Forschungsgrabung)“. Im Rahmen des bisher Erläuterten sollte daher eigentlich vollständig klar sein, dass diese Bestimmung ausschließlich auf Denkmale anwendbar ist, daher auch die entsprechende Hervorhebung des Begriffs im zitierten Gesetzeswortlaut.

Allerdings lautet die Überschrift über dem gesamten § 11 „Bewilligungen und Verpflichtungen bei Grabungen nach Bodendenkmalen. Das verkompliziert die Sache scheinbar maßgeblich; obgleich an dieser Stelle dem entsprechend geschulten Leser eigentlich völlig klar verständlich sein sollte – darum auch hier die entsprechende Hervorhebung des relevanten Begriffes – dass die Bestimmung des § 11 Abs. 1 auf Bodendenkmale gar nicht anwendbar sein kann.

Denn es geht schließlich in der Bestimmung des § 11 Abs. 1 DMSG um Nachforschungen zum Zweck der Entdeckung (und Untersuchung) von – vor der Durchführung dieser Nachforschungen – noch gar nicht entdeckten Sachen. Bodendenkmale werden jedoch, wie oben gezeigt, überhaupt erst durch ihre Entdeckung zu Bodendenkmalen, deren zeitweilige Erhaltung nach ihrer Entdeckung der Gesetzgeber überhaupt nur deshalb bezweckt, damit das BDA beurteilen kann, ob das entdeckte Bodendenkmal tatsächlich ein Denkmal ist, an dessen dauerhaft unveränderter Erhaltung ein öffentliches Interesse im Sinne des § 1 Abs. 2 DMSG besteht.

Diese Beurteilung wiederum kann das BDA überhaupt erst vornehmen, wenn die Sache, die es zu beurteilen hat, bereits entdeckt wurde, weil zu jeder sachverständigen Beurteilung die Kenntnis des zu beurteilenden Sachverhalts eine unabdingbare Voraussetzung ist. Nachdem aus der hier einzig relevanten rechtlichen Sicht vor der Entdeckung einer Sache noch überhaupt nichts vorliegt, das sachverständig beurteilt werden kann, kann die Genehmigungspflicht des § 11 Abs. 1 DMSG zum einzig relevanten Zeitpunkt – dem, an dem das BDA über den Antrag in der Sache entscheiden müsste – unmöglich greifen, weil ihm die für die Entscheidung erforderlichen Informationen noch gänzlich fehlen.

Das gleiche gilt auch, wenn man im § 11 Abs. 1 DMSG statt Denkmale Denkmale lesen will. Schließlich will der Gesetzgeber nicht alle Denkmale schützen, sondern nur jene Denkmale, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist. Das setzt aber genauso voraus, dass der entscheidungsbefugten Behörde der entscheidungswesentliche Sachverhalt – eben das Denkmal, dessen geschichtliche, künstlerische oder sonstige kulturelle Bedeutung es zu beurteilen gilt – bekannt ist; und genau das kann hier auch für die Behörde nicht der Fall sein.

Damit bleibt nur eine Möglichkeit, wann man Nachforschungen zum Zweck der Entdeckung und Untersuchung von einer Genehmigungspflicht abhängig machen kann, nämlich, wenn diese an Orten durchgeführt werden sollen, wo Denkmale vorkommen, die bereits unter Denkmalschutz stehen. Inwieweit diese bereits bekannten und ob ihrer bereits beurteilten Bedeutung geschützten Denkmale durch dort, wo sie sich befinden, geplante Grabungen und sonstige Nachforschungen gefährdet werden könnten, kann das BDA tatsächlich sachverständig beurteilen. Es folgt daher zwingend, dass das Wort Denkmale im § 11 Abs. 1 DMSG auch tatsächlich so und nicht als Denkmale, Bodendenkmale oder gar Bodendenkmale verstanden werden muss.

Die behördlichen Leseverständnisprobleme in der Anwendungspraxis


Betrachtet man jedoch die behördliche Anwendungspraxis, zeigen sich recht rasch deutliche Probleme der Behörde mit dem Leseverständnis.

In seinen Richtlinien für archäologische Maßnahmen (BDA 2018) spezifiziert das BDA genauer, welche „archäologischen Maßnahmen“ seiner Rechtsansicht nach seiner Bewilligung gem. § 11 Abs. 1 DMSG bedürfen. Als bewilligungspflichtig weist es dabei generell „invasive, d. h. mit Bodeneingriffen einhergehende Prospektionen sowie systematische Prospektionen als intendierte Nachforschungen an Ort und Stelle zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung beweglicher und unbeweglicher Bodendenkmale unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche“ (BDA 2018, 10) aus.

Das kann zwar, wie gerade gezeigt, bei richtiger sinnerfassender Lesung der Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG unmöglich stimmen. Für die Analyse der Leseverständnisprobleme des BDA muss man aber diese Tatsache bis auf weiteres vernachlässigen, weil das BDA schließlich davon ausgehen muss, dass die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG von ihm selbst sinnrichtig erfasst werden. Der Wortlaut des § 11 Abs. 1 DMSG wäre daher aus Sicht des BDA sinnrichtig eigentlich entgegen seinem eigentlichen Wortlaut wie folgt zu lesen:

Die Nachforschung durch Veränderung der Erdoberfläche bzw. des Grundes unter Wasser (Grabung) und sonstige Nachforschungen an Ort und Stelle zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung beweglicher und unbeweglicher Bodendenkmale unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche dürfen nur mit Bewilligung des Bundesdenkmalamtes vorgenommen werden, soweit Abs. 2 und 9 nichts anderes vorsehen (Forschungsgrabung)“.

Tatsächlich ist das auch praktisch exakt der Wortlaut, in dem das BDA z.B. in seiner Druckfassung der 4. Fassung der Richtlinien (BDA 2016, 6) den Wortlaut des § 11 Abs. 1 in verkürzter und unrichtiger Form zitiert hat, bis ich es im Frühjahr 2016 darauf aufmerksam gemacht habe und es in der elektronischen Fassung diesen Fehler dann korrigiert hat. Man muss daher also davon ausgehen, dass das BDA tatsächlich – trotz meiner dagegen vorgebrachten Argumente – davon überzeugt ist, dass zwar im Wortlaut des § 11 Abs. 1 am relevanten Ort Denkmale unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche“ steht, aber der Gesetzgeber damit eigentlich Bodendenkmale gemeint hat.

Geht man davon aus, dass diese Lesart stimmt, hat das natürlich Rechtsfolgen, insbesondere, wenn jemand „entgegen den Bestimmungen des § 11 Abs. 1 Nachforschungen (Grabungen) ohne die hiefür vorgesehene Genehmigung durchführt“ (§ 37 Abs. 2 Z 2 DMSG). So jemand ist nämlich laut § 37 Abs. 2 Z 2, „sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, mit Geldstrafe bis 25 400 Euro zu bestrafen“.

Das versucht das BDA auch tatsächlich zu erreichen, z.B. wenn es darauf aufmerksam gemacht wird, dass MetallsucherInnen bei der Suche bzw. Grabung nach Bodenfunden beobachtet wurden und deren Personalien dem Anzeigenden bekannt oder für das BDA ermittelbar sind. Diese zeigt es nämlich bei den zuständigen Strafverfolgungsbehörden wegen Verstoßes gegen die Bestimmungen der §§ 8 Abs. 1 und 11 Abs. 1 an und nimmt in den daraus resultierenden Verwaltungsverfahren auch (wenigstens manchmal), wie durch § 37 Abs. 8 vorgesehen, Stellung, gewöhnlich zu Ungunsten des Tatverdächtigen (für die Diskussion eines Beispiels siehe z.B. Karl 2016, 9-10).

Was wären die weiteren Folgen dieser Lesart?


Geht man allerdings davon aus, dass die obige Lesart des BDA korrekt ist, hat das auch andere Rechtsfolgen: es geht dann schließlich um Nachforschungen zur Entdeckung von Bodendenkmalen. Das bedeutet aber, dass – insbesondere, wenn diese „entgegen den Grabungsbestimmungen des § 11 durchgeführt“ (§ 9 Abs. 5 DMSG) wurden, wie das BDA ja zu meinen scheint – jedenfalls auch die Bestimmungen des § 9 Abs. 3 DMSG zur Anwendung zu bringen sind. Es werden daher alle betroffenen Bodendenkmale automatisch zu Bodendenkmalen.

Ausschlaggebend ist hier selbstverständlich die Anzeige des Tatverdächtigen an das BDA, denn diese stellt zweifellos im Sinne der §§ 8 DMSG und 400 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) auch die in diesem Fall relevante Fundmeldung dar. Das BDA geht schließlich, wenn es die Strafverfolgung des Tatverdächtigen anstrengt, davon aus, dass er nicht nur Bodendenkmale gesucht hat, sondern dort auch tatsächlich Bodendenkmale vorkommen, denn sonst dürfte es ihn gar nicht der Strafverfolgung aussetzen: gerade das BDA muss wissen, dass der Gesetzgeber nicht alle Grabungen und sonstigen Nachforschungen überall in ganz Österreich verhindern will, sondern Denkmale schützen, d.h. – wie er das auch ganz explizit in § 1 Abs. 1 ausdrückt – vor Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland bewahren. Das DMSG dient also der Gefahrenabwehr, und wo sich nichts befindet, das gefährdet werden kann, bedarf es auch keiner Abwehr dieser Gefahr.

Erlangt das BDA aber nun Kenntnis davon, dass an einem konkreten Ort tatsächlich Bodendenkmale vorkommen bzw. sogar aufgefunden worden sein dürften – und sei es nur, weil jemand dort nach ihnen gesucht hat, weil wenigstens dieser scheint ja Grund zur Annahme gehabt zu haben, dass dort welche vorkommen (siehe in etwa diesem Sinn auch VwGH 2017, 4) – beginnt die Frist des § 9 Abs. 3 zu laufen, womit das BDA bescheidmäßig zu entscheiden hat, ob es sich dabei um Denkmale handelt. Die Pflicht des BDA, diese Frage binnen 6 Wochen zu entscheiden, besteht nämlich laut § 9 Abs. 3 nur dann nicht, wenn die angetroffenen Gegenstände bereits Denkmale sind, in welchem Fall sich selbstverständlich die neuerliche bescheidmäßige Entscheidung erübrigt.

Kommt das BDA nun aber bescheidmäßig zur Entscheidung, dass die betroffenen Bodendenkmale keine Denkmale sind, stellt es fest, dass an der Erhaltung der betreffenden Sachen kein öffentliches Interesse besteht. Dem gleichzuhalten ist auch, wenn das BDA die Entscheidung einfach unter- und keinen Bescheid erlässt; wie sich auch aus der Regierungsvorlage zur Novelle des DMSG aus dem Jahr 1990 ergibt, die explizit feststellt, dass die betroffenen Bodendenkmale dann „nicht mehr geschützt sind“ (RV 1990, 20). Daraus folgt aber, dass das DMSG auch zu keiner Zeit auf sie anwendbar gewesen ist: weder hätte der Tatverdächtige einer Genehmigung gem. § 11 Abs. 1 bedurft, noch hätte er seine Funde melden müssen, noch sich an sonstige Bestimmungen des DMSG halten, denn das DMSG bezweckt den Schutz der Denkmale, nicht irgendwelcher beliebiger, gewöhnlicher Sachen. Daher sieht § 37 Abs. 6 DMSG auch vor, dass ein allfällig bereits laufendes Strafverfahren einzustellen ist, wenn das BDA „bescheidmäßig feststellt, dass ein öffentliches Interesse an der Erhaltung eines Denkmals tatsächlich nicht besteht oder bestanden hat“.

Das aber bedeutet wiederum, dass das BDA nun von sich aus eine allfällig von ihm selbst erstattete Anzeige gegen den Tatverdächtigen zurückzuziehen hat. Wird es hingegen von der Strafverfolgungsbehörde, wie durch § 37 Abs. 8 DMSG in durch Dritte angezeigten Fällen vorgesehen, um Äußerung ersucht, hat es dieser – gegebenenfalls nachdem es den relevanten Sachverhalt ermittelt hat – mitzuteilen, dass im Sinne des § 37 Abs. 6 ein öffentliches Interesse an der Erhaltung allfällig am Ort der Tathandlung vorkommender Denkmale nicht besteht. Damit hat in beiden Fällen die Strafverfolgungsbehörde das Strafverfahren gegen den Tatverdächtigen gemäß § 37 Abs. 6 DMSG in Verbindung mit § 45 Abs. 1 Z 1 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) einzustellen, weil „die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat […] keine Verwaltungsübertretung bildet“.

Genau das tut aber nun das BDA alles nicht. Vielmehr weist es ganz im Gegenteil in seinen Äußerungen gem. § 37 Abs. 8 DMSG im Strafverfahren die Strafverfolgungsbehörde darauf hin, dass Angaben von Tatverdächtigen, keine Denkmale gesucht und auch keine gefunden zu haben, unglaubwürdig seien, weil Metallsucher gewöhnlich wüssten, dass auch auf nicht unter Denkmalschutz stehenden Bodenflächen mit dem Vorkommen von Bodendenkmalen zu rechnen sei (Karl 2016, 9-10).

Schrödingers Gesetzeswortlaut


Das stellt uns nun vor ein gravierendes Problem.

Denn das BDA darf nur dann alle zuletzt beschriebenen Schritte unterlassen, wenn es, wenn ihm das Vorkommen mutmaßlicher Bodendenkmale an einem bestimmten Ort bekannt wird, nicht gem. § 9 Abs. 3 DMSG bescheidmäßig entscheiden muss, ob allfällig (auch nur von ihm selbst im Rahmen seiner Untersuchungen gem. §§ 9 Abs. 1 und/oder 30 Abs. 1 DMSG) an Ort und Stelle aufgefundene Bodendenkmale tatsächlich Denkmale sind. Diese Entscheidung muss es jedoch nur dann nicht treffen, wenn es bereits zu früherer Zeit die betroffenen Denkmale rechtskräftig unter Denkmalschutz gestellt hat.

Damit muss es aber, damit es zur Ansicht kommen kann, dass es keine Ermittlungs- und bescheidmäßige Entscheidungspflicht gem. § 9 Abs. 3 DMSG trifft, mit allen sich daraus notwendigerweise ergebenden Rechtsfolgen, zwingend dort, wo im § 11 Abs. 1 DMSG Denkmale steht, auch tatsächlich Denkmale lesen und verstehen, nicht Bodendenkmale. Man muss also davon ausgehen, dass das BDA der Ansicht ist, dass es die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 sinnrichtig erfasst, wenn es in dieser Bestimmung tatsächlich Denkmale unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche“ liest.

Das widerspricht sich nun aber diametral mit dem, was wir oben festgestellt haben, weil das BDA ja überhaupt nur zu der Ansicht gelangen kann, die es in seinen Richtlinien (BDA 2018, 10) und dadurch, dass es z.B. Metallsucher auch dann für ihre angeblichen Übertretungen der Genehmigungspflicht des § 11 Abs. 1 anzeigt, in aller möglichen Deutlichkeit zum Ausdruck bringt, wenn es das ausschlaggebende Wort in dieser Bestimmung als Bodendenkmale versteht. Würde es dieses nämlich als Denkmale verstehen, wären die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 auf Grabungen und sonstige Nachforschungen auf nicht denkmalgeschützten Bodenflächen gar nicht anwendbar.

Wir finden uns also in der höchstgradig ungewöhnlichen Situation, dass das BDA dasselbe Wort im Gesetzeswortlaut gleichzeitig im Sinn Bodendenkmal und im Sinn Denkmal zu verstehen scheint. Der vom Gesetzgeber verwendete Begriff Denkmal scheint also so etwas wie die Katze in Schrödingers Black Box zu sein: nicht ein unbestimmter Rechtsbegriff, der von der Behörde in der Handhabungspraxis genauer auszugestalten ist, sondern ein Begriff, der sich in einem – sozusagen rechtsquantenmechanischen – Katzenzustand (bzw. in der Superposition) zwischen den beiden mit gewisser Wahrscheinlichkeit zu verstehenden Bedeutungen Bodendenkmal und Denkmal befindet.

Dieser rechtliche Katzenzustand ‚kollabiert‘ (im Sinne der Kopenhagener Deutung) sozusagen erst dann, wenn er in der Anwendungspraxis durch das BDA mit der Wirklichkeit zu interagieren beginnt; und zwar dann jedenfalls immer in beide verschiedenen Einzelzustände. Diese sind einerseits der Einzelzustand der Strafbarkeit der durch den Tatverdächtigen vorgenommenen Handlung gem. § 37 Abs. 2 Z 2, in dem der im Gesetzeswortlaut zu findende Begriff nun als Bodendenkmal zu verstehen ist und daher die Genehmigungspflicht des § 11 Abs. 1 verletzt wurde; und andererseits der Einzelzustand der das BDA treffenden Entscheidungspflicht gem. § 9 Abs. 3, in dem der im Gesetzeswortlaut zu findende Begriff nun als Denkmal zu verstehen ist und daher das BDA keine bescheidmäßige Entscheidung treffen und daher ein allfällig schon laufendes Strafverfahren gegen einen Tatverdächtigen gem. §§ 37 Abs. 6 bzw. 45 Abs. 1 Z 1 VStG auch dann nicht eingestellt werden muss, wenn an der Erhaltung der betroffenen Gegenstände ein öffentliches Interesse nicht besteht.

Schlussfolgerungen: behördliche Leseverständnisprobleme


Es zweifellos enorm spannend und eine sehr bedeutende neue Erkenntnis, dass sich in diesem Fall scheinbar rechtsquantenmechanische Effekte auf makroskopischer Ebene beobachten lassen. Aber so spannend das ist, so unbefriedigend ist es aus rechtlicher Sicht. Denn aus letzterer Sicht darf es einen rechtsquantenmechanischen Katzenzustand nicht geben: der Gesetzgeber kann mit demselben Wort Denkmal im selben Satz nicht gleichzeitig Bodendenkmal und Denkmal meinen, sondern nur entweder das eine oder das andere.

Schon gar nicht kann der Gesetzgeber gewollt haben, dass das BDA die betreffende Bestimmung des DMSG in Bezug auf das Handeln außenstehender Dritter (d.h. der Staatsbürger) systematisch anders interpretiert als es diese in Bezug auf die für es selbst daraus erwachsenden rechtlichen Pflichten auslegt. Am allerwenigsten kann der Gesetzgeber aber gewollt haben, dass das BDA dieselbe Bestimmung in der Außenwirkung so versteht, dass es Staatsbürger dadurch der Strafverfolgung aussetzen kann, während es sie in der Innenwirkung nicht nur, sondern konkret so, anders versteht, dass dadurch diese Strafverfolgung nicht vereitelt werden kann.

Dass derartige rechtsquantenmechanischen Effekte dennoch einzutreten scheinen, zeigt deutlich, dass die Behörde erhebliche Probleme mit dem Leseverständnis hat, wenn sie den Wortlaut des Gesetzes liest, das sie exekutieren soll. Das liegt wohl zweifellos daran, dass der Wortlaut des Gesetzes so unglücklich bzw. ungeschickt gefasst ist, dass gerade seine absolut zentralen Rechtsbegriffe, die Begriffe Denkmal und Denkmal sowie Bodendenkmal und Bodendenkmal, offensichtlich nicht nur nicht ausreichend allgemeinverständlich, sondern nicht einmal für die mit der Anwendung des Gesetzes betrauten Fachbeamten ausreichend verständlich sind.

Es besteht daher in der archäologischen Denkmalpflege in Österreich intensiver und dringender Reformbedarf, insbesondere was die gesetzlichen Bestimmungen und den Gesetzeswortlaut betrifft, durch die dieser Bereich geregelt werden soll. Denn obwohl ich hoffe, mit diesem Beitrag ein wenig dazu beigetragen zu haben, die Allgemeinverständlichkeit der archäologischen Bestimmungen des DMSG zu verbessern: ich wage zu bezweifeln, dass dieser kleine Beitrag dafür genügen wird, einen sowohl sinnvollen als auch effektiven archäologischen Denkmalschutz in Österreich zu erreichen.

Literaturverweise



BDA 2016. Richtlinien für archäologische Maßnahmen. 4. Fassung – 1. Jänner 2016. Wien: BDA




Pieler, E. 2017. Der archäologische Fund im geltenden Recht – Ein Überblick mit Ausblick. In: S. Karl, I. Koch, E. Pieler, Revidierung der gesetzlichen Vorschriften zu archäologischen Funden und Schätzen in der österreichischen Monarchie zwischen 1834 und 1846. Mit einem Ausblick auf die heutige Situation. Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege LXXI/1, 86-119.



VwGH 2017. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom23.2.2017 zu Zahl Ro 2016/09/0008. Wien: Verwaltungsgerichtshof [2.2.2018].

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